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In einem kleinen Ort in Deutschland starben am selben Tag, ja fast zur selben Stunde zwei wohl bekannte Männer.

Der eine, Pfarrer August Möller, predigte seit Jahren jeden Sonntag von der Kanzel, dass am Ende nur die guten Taten zählten. Auf seine Schäfchen machte das wenig Eindruck. Sie überhörten seine Worte und dösten lieber vor sich hin.

Der andere, Bruno Clemens, fuhr den großen Bus der einzigen Reisegesellschaft weit und breit. Es gab keinen Menschen in dieser Gegend, der nicht schon einmal zitternd in seinem Bus gesessen hatte, während er fröhlich pfeifend und mit quietschenden Reifen enge Kurven, steile Abfahrten oder rote Ampeln hinter sich ließ.

Man musste sich wirklich fragen, wieso er und seine Fahrgäste immer mit heiler Haut davon kamen.

Zur Trauerfeier für August Möller kamen fast alle Mitglieder der Gemeinde. Dagegen geleiteten nur wenige Menschen Bruno Clemens zu seiner letzten Ruhestätte.

Wie das so geht, erreichten die beiden Dahingeschiedenen zur selben Zeit das große Himmelstor.

Petrus erwartete sie. "Na, da seid ihr ja. Es ist schon alles gerichtet.”

Er nahm sie beide an die Hand und schwebte mit ihnen zu einem riesigen Gebirge aus Cumuluswolken. Hier gab es für sie keine Hindernisse. Sie überflogen die fremdartigen Berge oder tauchten darunter weg. Aber manchmal drangen sie auch mitten hindurch, ohne das Geringste zu spüren.

Endlich nickte Petrus ihnen zu und schob sie durch eine Lücke in der Wolkenmasse. Sie standen in einem großen Raum mit lockeren, luftigen Wänden und einer ebensolchen Decke. Es sah alles aus wie geformte Zuckerwatte, auch die große Liege. Ein weiter Panoramablick zeigte die Sterne mit ihren Planeten.

August Möller, der Pfarrer, wollte sich gleich setzen. Das war ein Zuhause nach seinem Geschmack.

Doch Petrus schüttelte den Kopf. "Nein, mein Sohn, du nicht. Diese Bleibe gehört Bruno Clemens, dem Busfahrer."

Petrus zog August Möller mit sich aus dem Raum in die Weiten des Himmels. Bald kannte der Pfarrer sich nicht mehr aus. Gerade als bewegten sie sich in einem Labyrinth. - Doch er lächelte zufrieden. Wenn der Busfahrer schon so eine tolle Unterkunft bekam, wie würde die für einen Pfarrer erst aussehen.

Er bemerkte im Vorbeigleiten Gruppen von Gestalten gleich ihm. Die diskutierten, lachten oder sangen fröhliche Lieder.

Ganz allmählich änderte sich ihre Umgebung. Anscheinend kamen sie in ein Schlechtwettergebiet. Dicke graue Wolken bedrängten sie von allen Seiten. August Möller erinnerte sich an die Kälte und Nässe auf der Erde. Hier fand Petrus nun die richtige Bleibe für seinen Begleiter.

August Möller schauderte. Der Raum wirkte wie eine Zelle im Gefängnis, die trüben grauen Wände wie Beton. Doch sie bestanden auch aus Wolken, genau wie der gemütliche Raum des Busfahrers - nur schwer vor Regen. Die Liege, das einzige Möbelstück, sah hart und unbequem aus. Einen Panoramablick gab es auch nicht.

Erschrocken drehte August Möller sich um und griff nach Petrus' Ärmel. "Halt, das muss ein Irrtum sein. Mir als Pfarrer steht doch etwas Besseres zu.”

”Ich irre mich nicht.” Petrus zog einen großen Plan heraus. "Genau hier ist deine Bleibe eingezeichnet. Wenn sie dir nicht gefällt, wendest du dich am besten an unseren allerhöchsten Chef."

Mit diesen Worten befreite Petrus seinen Ärmel aus der Hand des Neuankömmlings und schwebte davon...

August Möller war empört und wollte das Missverständnis an allerhöchster Stelle klären. Da man in der Unendlichkeit des  Himmels die Zeit nicht kennt, genügte sein Gedanke. Gerade hatte er ihn gedacht, befand er sich schon am Ziel.

So klein wie eine Ameise stand er am Fuße des riesigen goldenen Throns. Er senkte den Kopf und trug sein Anliegen vor.

Zuerst hörte er nur ein Rauschen wie von tausend Flügeln. Dann drang die gewaltige Stimme in seine Gedanken.

"Höre mein Sohn, es hat alles seine Richtigkeit! So wie ihr Menschen gerade erst Datenbanken benutzt, speichern wir seit Ewigkeiten alle eure Taten.

 

In dem Buch der Bücher steht geschrieben: Jeden Sonntag bei  deinen langweiligen Predigten schliefen deine Schäfchen in den Bänken ein.

Wenn dagegen Bruno Clemens mit dem Bus durch enge Kurven jagte vorbei an gefährlichen Abgründen...

Dann zitterten die Leute und - beteten.”