So ein toller Plan

 

Anna saß am Küchentisch und starrte in die leere Kaffeetasse. Wie war sie bloß in diesen Schlamassel geraten? - Alles fing damit an, dass sie eines Tages auf die abartige Idee kam, das Leben ließe sich nur als Ehefrau ertragen.

Gerade zu dieser Zeit lief ihr Kurt über den Weg. Es fiel ihr auch nicht schwer, ihn zum Standesamt zu schleifen.

Doch auf ihn und die Hausarbeit hatte sie schon nach kurzer Zeit eine Stinkwut. Sie brauchte nur daran zu denken, was jeden Abend auf sie wartete. Wenn Kurt sich gestresst von der Arbeit vom Fernsehen berieseln ließ, musste sie in der Küche schuften. Meistens erntete sie für ihre Plackerei nur Gequengel. Aber wie sollte sie etwas Anständiges auf den Tisch bringen, wenn er nicht mit genug Kohle rüberkam?

Da war Harry doch ein ganz anderer Kerl. Der spielte immer den großzügigen Freier. Und wenn Kurt auf Montage musste, kroch sie zu dem feurigen Harry unter die Decke.

Er drückte sich zwar vor allem, was nach geregelter Arbeit aussah. Trotzdem blieb immer genug Knete an seinen Fingern hängen.

Sie konnten später nicht mehr so genau sagen, wer zuerst auf diese krasse Idee gekommen war. Dabei lag es doch auf der Hand.

Ein Leben ohne Kurt löste wirklich alle Probleme. - Den Jackpot nicht zu vergessen, der auf sie wartete. Der liebe Kurt hatte nämlich vor einem Jahr eine knackige Lebens- versicherung abgeschlossen. „Damit mein Frauchen keine Not leiden muss, falls mir was passiert", sagte er. - Leider passierte ihm aber nichts!

Harry kannte sich auf dem Gebiet aus. Da musste man eben etwas nachhelfen. Er wusste auch schon wie.

Kurt rannte doch jede Woche zum Friedhof. Dort saß er vor dem Grab seiner Eltern auf einer Bank und döste vor sich hin. Vielleicht ging es ihm ja auch nur um den Sechserpack Bier, den er da auf ihr Wohl leerte.

Endlich kam wieder so ein Tag heran. Harry holte sein Klappmesser heraus. Er erledigte die Arbeit schnell und geräuschlos.

 

An den folgenden Tagen ging die Polizei bei Anna ein und aus. Den Männern tat die junge Witwe leid. Sicher handelte es sich in diesem Fall wieder um einen dieser Raubmorde, deren Akten später ungelöst in den Regalen verschimmelten.

Ganz in schwarz ging Anna ein paar Tage später zur Versicherung. Sie kramte dort die Police aus der Tasche. Die junge Frau hinter dem Schreibtisch prüfte das Papier und suchte den Vorgang in ihrem Computer.

Sie stutzte und sah Anna unsicher an. „Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick. Ich möchte etwas klären.”

Doch Anna musste vie1 länger als einen Augenblick warten. Sie rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. Die Tante wollte doch nicht etwa die Polizei rufen?

Endlich kam sie mit einem älteren Herrn zurück. Der setzte sich Anna gegenüber. Sein rotes Gesicht g1änzte vor Nervosität. Diese Unterredung hätte er gern einem anderen überlassen.

„Arme kleine Frau, ich wünschte wirklich ich könnte Ihnen diesen Schlag ersparen. Die Trauer um Ihren Mann nimmt Sie bestimmt schon genug mit."

Anna hielt sich krampfhaft an ihrer Handtasche fest. Was  wollte der Mann von ihr?

Der holte tief Luft. „Wir bedauern es außerordentlich. Aber  wir können die Versiche-rungssumme nicht an Sie auszahlen.”

Anna kamen fast die Tränen: „Aber warum nicht? Vor Ihnen liegt die gültige Police. Mir steht das Geld zu.”

Der Mann wurde schon ungeduldig. “So ist aber die Rechtslage! - Die Schuld trägt ganz allein Ihr Gatte. Er zahlte nach Abschluss des Vertrages nur die ersten zwei Raten. Dann kam er zu uns und bat um Stundung. So etwas kommt immer wieder vor.

Da Ihr Gatte die Zahlungen bis heute nicht wieder aufnahm, wurde der Vertrag nie rechtskräftig.”

Völlig fertig kam Anna zu Hause an. Kein Geld von der Versicherung! Und sie hatte sich doch schon ausgemalt, was sie von der vielen Kohle alles kaufen wollte.-

Allmählich beruhigte sie sich . Harry liebte sie doch über alles. Er würde sie bestimmt trösten und ihr helfen...

Harry reagierte aber am Telefon ziemlich kühl. Er machte mit ihr einen neutralen Treffpunkt aus. Er wollte das Trauerhaus nicht betreten - wegen der Polente. Anna zog sich schnell um. Harrv konnte nämlich das schwarze Zeug nicht leiden.

Im Park lief Anna ihm entgegen und warf sich in seine Arme.

„Ich bin so froh, dich zu sehen. Du glaubst ja nicht, wie gemein diese Leute bei der Versicherung waren. Ich fühle mich total am Ende.”

Harry schob sie von sich und deutete auf eine Bank. „Wir  wollen uns setzen. Es gibt einiges zu besprechen.”

Sie lehnte sich an ihn. Nun würde er sagen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Auf ihn könnte sie sich voll und ganz verlassen.

Doch es kam anders.

Er rückte zur Seite und sagte kalt: „Du nimmst dich jetzt besser zusammen. - Zwischen uns läuft nichts mehr. - Ich setze mich nämlich hier ab. Woher soll ich denn das Geld nehmen, um so einen schrägen Vogel wie dich auszuhalten?”

Er grinste gemein. „Übrigens - jede Arbeit hat ihren Preis! Aber keine Angst, du kriegst Rabatt. - Sagen wir 50 Mille. Wie viel davon kannst du bis morgen locker machen?”

Anna kapierte überhaupt nichts. „Aber Harry, wie redest du mit mir?”

Der fuhr sie wütend an: „Tu nicht so dämlich! Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Also wie viel?”

Anna zitterte vor Enttäuschung. Sie brauchte doch selbst Geld. Die nächste Miete war bald fällig.

Seine harten Augen machten ihr Angst.

Zögernd sagte sie: „Mit meinem Sparbuch kriege ich vielleicht 5.000 zusammen.”

Harry stand auf. „Gut, morgen hier um die gleiche Zeit. Ich komme dann alle drei Monate und kassiere ab.

Wenn du nicht spurst, sorge ich dafür, dass du den Rest deiner Tage hinter Gittern kampierst. Ich kann dir nur raten, mich bei Laune zu halten ... “

 

Anna saß zusammengesunken am Küchentisch. Kurt konnte ihr nicht mehr helfen. Und die kleine Witwenrente reichte kaum für die Miete.

Wenn sie überleben wollte, musste sie zurück in das verhasste Büro. Da fühlte sie sich doch schon damals wie ein Meerschweinchen im Laufrad.

Und als ob das nicht genügte, saß ihr auch noch Harry im Genick.